Der neue Frühling

Gold­lack

­Sterne mit den gold­nen Füß­chen
Wan­deln dro­ben bang und sacht,
Daß sie nicht die Erde we­cken,
Die da schläft im schoß der Nacht.

Hor­chend stehn die stum­men Wäl­der,
Je­des Blatt ein grü­nes Ohr!
Und der Berg, wie träu­mend streckt er
Sei­nen Schat­ten­arm her­vor.

Doch was rief dort?
In mein Herze Dringt der Töne Wi­der­hall.
War es der Ge­lieb­ten Stimme,
Oder nur die Nach­ti­gall?

Hein­rich Heine

Der Storch von nebenan

Zur Tag­und­nacht­glei­che, ha­ben wir im Dorf von ne­benan end­lich wie­der un­se­ren Weiß­storch ›Ade­bar‹ ge­sich­tet. Er ist ei­ner der Klap­per­stör­che aus un­se­rer Um­ge­bung, den man schon sehr früh im Jahr be­grü­ßen kann. Der be­ringte, treue Nach­bar, fliegt zum Über­win­tern näm­lich nicht so weit, wie die an­de­ren sei­ner Art. Statt in Afrika, ver­bringt ›Ade­bar‹ seine Win­ter lie­ber in Spa­nien. Wahr­schein­lich, um wie­der schnell in sei­nem ge­lieb­ten Meck­len­burg zu sein. Nun war­tet der schöne Storch sehn­lichst auf seine Art­ge­nos­si­nen, um mit ih­nen im Som­mer zu klap­pern und schöne Tage auf der Wiese, im Nest oder in den Lüf­ten zu ver­brin­gen.

Anemonen

Sie sprie­ßen licht aus Wal­des­nacht,
Ohne rei­chen Duft, ohne Far­ben­pracht,
Un­ter den gro­ßen, al­ten Bäu­men,
Über das Moos wie flu­tend Träu­men:
Wann der Wind vor­über streicht,
Nei­gen sie ihre Köpf­chen leicht,
Aber wo die Sonne licht
Durch die Blät­ter­kro­nen bricht,
Sau­gen sie all das gol­dige Schei­nen
Sehn­suchts­voll in den Kelch, den klei­nen.
So blü­hen sie scheu, ohne Glanz und Pracht:
Die lich­ten Kin­der der Wal­des­nacht.

The­rese Dahn