Eine Liebeserklärung an die Gräser

Quecke, Rispengras und andere Gräser
Seit ei­ni­ger Zeit fas­zi­nie­ren mich Grä­ser. Über­all, in win­zi­gen Rit­zen und dün­nen Spal­ten wach­sen sie, in groß und klein. Un­schein­bar steht die­ses gras­ar­tige We­sen auf Fel­dern, Wie­sen, in Gär­ten, an Häu­sern und an Stra­ßen. Auf mei­nen Ex­kur­sio­nen, ent­deckte ich im Som­mer im­mer wie­der neue Ar­ten. Zur jet­zi­gen Jah­res­zeit ste­hen nur noch ein­same Ris­pen und Äh­ren. Die meis­ten von ih­nen sind nun ver­trock­net und ab­ge­bro­chen. Ver­ein­zelt we­hen ei­nige ih­rer Halme mit dem Wind. Ihre grün­gel­ben Über­bleib­sel be­de­cken die ganze Erde. Heute kann ich sie kaum noch von­ein­an­der un­ter­schei­den. Denn jetzt, zu Be­ginn des Win­ters, se­hen die dün­nen, lan­gen Blät­ter fast alle gleich aus. Nur noch ihr Le­bens­raum und even­tu­ell die Form ih­rer Blät­ter kön­nen mir ei­nen klei­nen Hin­weis ge­ben. Das ist was für Ex­per­ten!

Bei Wi­ki­pa­dia las ich, dass in Mit­tel­eu­ropa fast 500 ver­schie­dene Grä­ser wild wach­sen und die Fa­mile der Süß­grä­ser etwa 12.000 Ar­ten in rund 780 Gat­tun­gen um­fasst.[1]Grä­ser tra­ten zum ers­ten Mal in der Krei­de­zahl auf. Diese Fa­mi­lie ist äl­ter als wir. Die ho­hen glat­ten kah­len Stän­gel mit schma­len grü­nen oder bläu­lich­grü­nen fla­chen Blät­tern, brei­ten sich auf Äckern und in Gär­ten, auf Schütt­plät­zen und an Ufern über­all aus. Auf stick­stoff­rei­chen Lehm- und Ton­bö­den ge­dei­hen sie be­son­ders präch­tig und selbst vor Hö­hen von etwa 1000 m er­schreckt sich die Aus­dau­ernde nicht.

Gräser im WindIch schaue mir ei­nige der tro­cke­nen Äh­ren ge­nauer an. Ihre win­zi­gen Blü­ten sind mit un­se­rem Auge kaum sicht­bar. Nun schaue ich in den Roth­ma­ler nach. Kann ich sie be­stim­men? Ich schaffe grad mal so, das Knaul­gras (Dac­ty­lis glo­me­rata) zu er­ken­nen. Bei den an­de­ren Äh­ren wird es schwie­ri­ger. In die­sem ver­blüh­ten Ent­wick­lungs­sta­dium hat sich die Pflanze zu­rück­ge­zo­gen. Die Ris­penäh­ren sind gelb und tro­cken und sie schei­nen alle gleich. Nach län­ge­rer Be­trach­tung, meine ich die Quecke zu se­hen. Si­cher bin ich mir nicht. Ihre Blät­ter sind aber noch grün. Der Hund und die Katze mö­gen sie. Ich grabe sie aus und finde schnell die wei­ßen, di­cken Wur­zeln. Vor­sich­tig ziehe ich sie her­aus, denn sie kann bis zu ei­nem Me­ter lang wer­den. Jezt bin ich mir si­cher, das ist die Kriech-Quecke (Elyt­ri­gia repens), Ge­meine oder die Ge­wöhn­li­che Quecke. In der Volks­kunde wird sie auch Flecht­gras, Hunds­gras, Rech­gras, Ruch­gras, Schließ­gras­wur­zel, Wurm­gras oder Zwe­cke be­zeich­net.

Die Volks­na­men ge­ben oft Hin­weise auf ih­ren Ge­brauch. Das Flecht­gras war si­cher­lich ein gu­tes Flecht­werk­zeug. Der Hund ver­weilt gern am Hunds­gras. Un­ser Taro grast oft an sei­nem ge­lieb­ten Queckenört­chen und knab­bart an den fri­schen Lan­zet­ten. Las­sen wir sie wach­sen, dann ist sie im nächs­ten Som­mer über­all im Gar­ten. Ihre schlan­ken, äh­ri­gen Blü­ten streckt sie dann von Mai bis Au­gust ele­gant zur Sonne.

Mit ei­ni­gen der hei­mi­schen, wild­wach­se­nen Grä­sern kann man sich selbst­ver­sor­gen. Be­son­dere Nutz­pflan­zen, wie un­ser Ge­treide ge­hö­ren zu die­ser Fa­mi­lie. Selbst in der Stein­zeit wi­ckelte man schon Körbe aus ih­nen und nutzte sie zum Haus­bau. Die Ge­wöhn­li­che Quecke (Elyt­ri­gia repens) fin­det so­gar ih­ren Platz in un­se­rer hei­mi­schen Wild­kü­che. Un­glaub­lich, dass diese Quecke, das »Un­gras« in un­se­ren Gär­ten, als ein­zige ih­rer Art, zu den ess­ba­ren Wild­pflan­zen ge­hört! Ihre Sa­men, Blät­ter und Wur­zeln sind ess­bar und ge­sund, denn sie be­inhal­ten Koh­len­hy­drate, äthe­ri­sche Öle, Schleim­stoffe, Sa­po­nine, lös­li­che Kie­sel­säu­ren, Mi­ne­ral­salze, Ei­sen, Vit­amin A und B. Selbst im Win­ter sind die Blät­ter auf­find­bar. Der Wild­pflan­zen­ken­ner sam­melt nur die Kriech-Quecke und ver­wech­selt sie nicht mit der un­ter Na­tur­schutz ste­hen­den Haar­gerste (Ely­mus). Der Ge­nies­ser sollte die Pflanze be­stim­men kön­nen, denn erst dann darf sie roh ge­nos­sen wer­den. Ge­trock­nete Wur­zeln und Sa­men las­sen sich zu Mehl- oder Kaf­feer­satz ver­ar­bei­ten. Ihre jun­gen Blät­ter und Wur­zeln wer­den klein­ge­hackt und zu Sup­pen oder Sa­la­ten bei­gemengt. In mei­nem Kopf lasse ich ein neues Re­zept ent­ste­hen.

Eure Nah­rungs­mit­tel sol­len eure Heil­mit­tel sein und eure Heil­mit­tel sol­len eure Nah­rungs­mit­tel sein. Riet Hip­po­kra­tes von Kos (460 — etwa 377 vor Chr.) den Men­schen. Die­ser schlaue Satz trifft ge­nau auf diese Wild­pflanze zu. Denn schon in der An­tike wurde sie als Heil­pflanze ver­wen­det. Dio­skuri­des und Pli­nius spra­chen der Wur­zel hei­lende Wir­kung zu. Heute ist die an­ti­bak­te­ri­elle Wir­kung der äthe­ri­schen Öle des Wur­zel­stocks nach­ge­wie­sen. Si­cher­lich wird sie des­halb in der Volks­kunde als Wurm­gras be­zeich­net. In frü­he­ren Zei­ten voll­brachte sie wahre Wun­der. Im Volks­brauch­tum wur­den ihr des­in­fi­zie­ren­den und rei­ni­gen­den Kräfte zu­ge­schrie­ben. Sie wurde ver­räu­chert, um Haut­pro­bleme, Seu­chen und Krank­hei­ten vor­zu­beu­gen. Heute wird die Quecke auch in der Pflan­zen­heil­kunde (Phy­to­the­ra­pie) an­ge­wandt. Die im­mun­stär­kende Wir­kung der Heil­pflanze kann bei Er­käl­tun­gen, Ka­thar­ren und bak­te­ri­el­len In­fek­ten Un­ter­stüt­zung leis­ten und wird als Tee, Saft und an­dere Heil­mit­tel ver­ab­reicht.

Es ist eine wun­der­bare Ent­de­ckung! Ob­wohl die Quecke bei­nahe im­mer bei uns steht, über­se­hen wir sie so oft. Auch wenn wir diese Pflanze un­gern im Gar­ten se­hen, hat uns die Na­tur doch et­was sehr wert­vol­les ge­schenkt. Die In­sek­ten wis­sen es,  denn über ach­zig In­sek­ten­ar­ten flie­gen sie gern an. Er­näh­ren wir uns auch mit Quecke, dann gibt sie uns Kraft und er­quickt uns. Nun nehme ich sie wahr! Ihre grüne Farbe er­hei­tert mein Ge­müt. Das mäch­tige Wurzl­werk durch­luf­tet den Bo­den und setzt ihn in Be­we­gung. So steht sie da. Fast al­leine. Bei­nahe ver­trock­net. Doch schon sam­melt sie neue Kräfte, um im Som­mer mit ih­ren lan­gen Gras­hal­men wie­der die Sonne zu tan­ken.

Ich ver­beuge mich vor die­ser kraft­vol­len Pflanze. Vol­ler De­mut stehe ich vor ihr. Ich fühle eine Ach­tung vor der Na­tur, die uns al­les schenkt, was wir brau­chen. Wir müs­sen nur hin­schauen!

Die blaue Blume

Nur noch sel­ten schei­nen die Fel­der im sat­ten Blau. Die Korn­blume, ein so­ge­nann­tes Un­kraut, wird auf kon­ven­tio­nel­len Fel­dern er­folg­reich be­kämpft, so dass die blaue Blume fast aus­ge­stor­ben ist. Da­her steht sie in­zwi­schen un­ter Na­tur­schutz.

Als Heil­pflanze hilft sie bei Pro­ble­men des Ver­dau­ungs­ap­pa­ra­tes und bei Haut­pro­ble­men. Au­ßer­dem wird sie auch gern in Tee­mi­schun­gen ver­wen­det.

Die Korn­blume ist eine Be­rei­che­rung für je­den Gar­ten und ein Muss auf je­der Bie­nen­weide, da sie eine wich­tige Nah­rungs­quelle für Wild­bie­nen und Wild­hum­meln ist. Sie bie­tet ein ho­hes Nek­tar­an­ge­bot auch für an­dere In­sek­ten.

Diese kleine Wild­hum­mel schwirrte in ei­nem wun­der­schö­nen Wie­sen­feld. Das Acker war noch sehr der Na­tur über­las­sen. Es gibt so viele ver­schie­dene Hum­mel­ar­ten. Sie un­ter­schei­den sich in der Farbe und der Größe ih­res Hin­ter­leibs, der von schwarz bis über ver­schie­dene Braun­töne auch weiß sein kann. Ein Na­tur­phä­no­men ist, dass ihre Flü­gel viel zu klein sind, um den im Verl­gleich viel zu schwe­ren Kör­per zu tra­gen. Sie fliegt trotz­dem.

Denkt sie da mal dar­über nach? Sie fliegt ein­fach.

Die Blaue Blume ist in ver­schie­de­nen Epo­chen ein wich­ti­ges Sym­bol. Sie steht für Ro­man­tik und Sehn­sucht. In der Li­te­ra­tur, Ma­le­rei und an­de­ren Küns­ten sym­bo­li­siert sie Liebe, Un­end­lich­keit und Selb­s­er­kent­niss. Die kost­bare Pflanze wird oft auch als Ver­bin­dung zu Na­tur und Mensch ge­deu­tet. Sie wurde schon in al­ten Sa­gen als sel­ten und kost­bar um­schrie­ben. Um 1795 stand sie für Wan­der­schaft. Nur der Mu­tigste und Klügste ver­mochte sie zu fin­den und suchte nachts nach ei­ner blaue Wun­der­blume. Man schriebt ihr be­son­dere Kräfte zu.

Das In­di­go­blau ist eine sehr sel­tene Farbe. Nur we­nige tro­pi­sche Ur­völ­ker kön­nen diese aus dem In­di­gostrauch ( In­digo­fera tinc­to­ria) her­stel­len. Die Haut­farbe der Men­schen schim­mert dann blau und sie zei­gen gern ihre blauen Zun­gen.

Es ist eine wund­schöne Farbe.

Die Hummelkönigin

Diese wun­der­schöne Hum­mel ent­deck­ten wir im Spät­som­mer auf ei­ner bun­ten Wiese, wel­che an ei­nem klei­nen See lag. Vie­les war hier schon grau. Zwi­schen den ver­trock­ne­ten Stän­gel wuch­sen aber noch ei­nige Rin­gel­blu­men, Wilde Mal­ven und an­dere schöne Pflan­zen.

Hier lag nun diese kö­nig­li­che Hoch­heit und ruhte auf die­ser präch­ti­gen Blüte. Der ganze Som­mer lag be­reits hin­ter ihr. Sie wirkte er­schöpft. Trotz­dem ge­noss sie die letz­ten, war­men Son­nen­strah­len. Viel­leicht sucht sie sich noch ein Ver­steck. Jung­kö­ni­gin­nen kön­nen die kalte Jah­res­zeit über­win­tern. Sie schla­fen sechs Mo­nate. Wei­tere sechs re­gie­ren sie ih­ren Staat. Hum­mel­kö­ni­gin­nen wer­den nicht viele äl­ter als zwölf Mo­nate.

Auf dem Was­ser lag et­was Ne­bel. Und zwi­schen den grauen Stän­geln leuch­te­ten die far­ben­fro­hen Blü­ten. Ich dachte an den Som­mer. So eine ab­wechs­lungs­rei­che Land­schaft muss ein Pa­ra­dies für  jede Hum­mel­kö­ni­gin sein.

Ich lasse sie. Doch für die­ses Bild nehme ich mir Zeit.

In un­se­rem Gar­ten blühte es in die­sem Jahr über­all. Wild­blu­men, Kräu­ter und an­dere Pflänz­chen lu­den nicht nur die Sechs­bei­ner zum Krab­beln, Flie­gen oder Ent­span­nen ein. Hier und da konnte ich ei­nige von ih­nen ent­de­cken und be­stim­men. Aber auch seine Nach­barn, Freunde und Feinde. Ein wun­der­schö­nes Schau­spiel der Na­tur. Danke.

Und im nächs­ten Jahr lade ich die Hum­mel­kö­ni­gin zu mir ein, auf meine bunte Blu­men­wiese.

Die Ton­töpfe, die die­sen Som­mer als Nist­hil­fen für Hum­meln die­nen soll­ten, wur­den lie­ber von Schne­cken und Wür­mern be­wohnt. Nun sind diese Töpfe klamm. Die Stelle war an­schei­nend zu feucht und die Erde zu hart. Nächs­tes Jahr su­che ich ei­nen bes­se­res Plätz­chen, z. B. eine tro­ckene Mauer oder ei­nen Sand­hau­fen mit Mäu­se­lö­chern. Viel­leicht be­su­chen mich dann noch mehr Tier­chen.

Zeit für Pilze

Alle Pilz­samm­ler wis­sen, dass ge­nau jetzt die Zeit ge­kom­men ist, um in den Wald zu ge­hen, denn die Pilze schie­ßen aus dem Wald­bo­denn und das Wet­ter ist per­fekt. Auch wir ha­ben uns auf die Su­che ge­macht. Es dau­erte nicht lange, da fan­den wir jede Menge schö­ner Ma­ro­nen und Stein­pilze. Mit Lei­den­schaft su­che ich in den ge­heim­nis­vol­len Tie­fen des Wal­des nach Pil­zen. Man muss be­son­ders lang­sam ge­hen und den Wald­bo­den ganz ge­nau be­ob­ach­ten. Al­les um mich herum wird still. Nur ab und zu knackst plötz­lich ein Ast und ich schaue schnell auf und frage mich, ob uns ein an­de­rer Pilz­samm­ler auf den Fer­sen ist. Er darf näm­lich nicht zu nahe kom­men.

Schon ganz früh nahm mich mein Va­ter zum Pil­ze­sam­meln mit und brachte mir bei, die ess­ba­ren Ar­ten zu er­ken­nen. Je­den Sonn­tag in der Pilz­sai­son hat er mich bei Wind und Wet­ter ge­gen 5.00 Uhr mor­gens ge­weckt. Wir muss­ten so früh wie mög­lich ge­hen, um noch vor den An­de­ren da zu sein. Er nahm ein Korb, zwei Äp­fel, Stul­len, Trin­ken, Mes­ser und, ganz wich­tig, Toi­let­ten­pa­pier mit. Dann mar­schier­ten wir noch im Dun­keln los. Un­ser Glück war, dass wir da­mals di­rekt am Wald wohn­ten. Doch um an die Pilz­stel­len zu ge­lan­gen, muss­ten wir trotz­dem ca. 30 Mi­nu­ten wan­dern. Als wir im Wald an­ka­men, wurde es nur lang­sam hell. Der Wald­bo­den war feucht und im Mor­gen­grauen konnte man noch nicht viel er­ken­nen. Mein Va­ter war meist der erste, der ei­nen ess­ba­ren Pilz fand und machte sich lie­be­voll lus­tig, wenn ich an ein paar gu­ten Pracht­ex­em­pla­ren vor­bei ging. Ge­le­gent­lich be­glei­tete uns ein Freund mei­nes Va­ters und seine Toch­ter, die eine sehr gute Freun­din von mir war. Zu­sam­men im Wald zu sein, war für mich wun­der­bar, denn wir hat­ten im­mer viel Freude da­bei. Der Ge­ruch des Wal­des, die Stille und die wun­der­schö­nen Pilze, die man fin­det, weck­ten in mir eine große Lei­den­schaft für das Pil­ze­sam­meln. Wie schön, dass un­sere Körbe auch in die­sem Herbst wie­der reich­lich ge­füllt sind.