Warum ich Wildpflanzen so sehr mag

Seit dem ich den­ken kann, war ich im­mer von der Na­tur be­geis­tert. Schon da­mals spürte ich eine Ver­bun­den­heit mit ihr. Als Kind lief ich fast täg­lich in den Wald und un­ter­nahm kleine Ex­pe­di­tio­nen. In mei­ner Ju­gend be­gann ich, mich be­son­ders für Kräu­ter zu in­ter­es­sie­ren. Mich fas­zi­nier­ten ihre ver­schie­de­nen Ge­rü­che und Ge­schmä­cker. Zu die­sem Zeit­punkt schenkte mir je­mand ein al­tes Wild­pflan­zen­buch und auf ei­nem Trö­del-markt fiel mir ein Na­tur­heil­kun­de­buch in die Hand. Ich lernte, dass die Pflan­zen den Men­schen seit Jahr­tau­sen­den als Nah­rung und zur Hei­lung dien­ten. Meine Be­geis­te­rung für die un­end­li­che Viel­falt und Schön­heit der Pflan­zen­welt wuchs im­mer stär­ker.

Ich zog aufs Land und be­gann in ei­nem Wild­pflan­zen­gar­ten aus­zu­hel­fen. Dort lernte ich, sie zu be­ob­ach­ten und zu be­stim­men. Doch ich wollte mehr über die Ge­heim­nisse der Pflan­zen­welt wis­sen und machte eine Aus­bil­dung in Pflan­zen­heil­kunde. Die Heil­wir­kung vie­ler Pflan­zen ist in­zwi­schen wis­sen­schaft­lich be­wie­sen. Von ih­rer Nut­zung war ich be­ein­druckt. Ob in der Kü­che oder in der Haus­apo­theke, über­all fin­den sie ihre Ver­wen­dung. In mei­nem All­tag sind sie nicht mehr weg­zu­den­ken und in  mei­nem Gar­ten fin­den sie ihre Da­seins­be­rech­ti­gung.

Fär­ber­ka­mille (An­the­mis tinc­to­ria)

In Ge­sprä­chen mit an­de­ren stellte ich fest, dass das Wis­sen über die Wild­pflan­zen den Men­schen ver­lo­ren­ge­gan­gen ist. Häu­fig wer­den sie als Un­kraut und schein­bar als nutz­los an­ge­se­hen oder sie ent­spre­chen be­stimm­ten äs­the­ti­schen Vor­stel­lun­gen nicht. Zu Un­recht! Denn in ih­nen steckt so viel Kraft. Wild­pflan­zen wer­den als Nah­rung, Me­di­zin, Bau­stoff, Fa­ser­lie­fe­rant, Fär­be­mit­tel oder für an­dere Zwe­cke ge­nutzt und sie ge­hö­ren in vie­len Län­dern der Welt zur re­gu­lä­ren Grund­ver­sor­gung. Sie sind ein wich­ti­ger Be­stand­teil des Öko­sys­tems und für un­sere In­sek­ten un­ab­ding­bar.

Zu mei­nem An­lie­gen wurde es, das ver­schüt­tete Wis­sen über die Pflan­zen, de­ren Nut­zen und ihre Ver­wen­dung zu be­wah­ren und wei­ter­zu­ge­ben, um die Wert­schät­zung für das Un­schein­bare am We­ges­rand wie­der­zu­be­le­ben und das In­ter­esse für sie zu we­cken.

 

 

 

 

Eine Liebeserklärung an die Gräser

Quecke, Rispengras und andere Gräser
Seit ei­ni­ger Zeit fas­zi­nie­ren mich Grä­ser. Über­all, in win­zi­gen Rit­zen und dün­nen Spal­ten wach­sen sie, in groß und klein. Un­schein­bar steht die­ses gras­ar­tige We­sen auf Fel­dern, Wie­sen, in Gär­ten, an Häu­sern und an Stra­ßen. Auf mei­nen Ex­kur­sio­nen, ent­deckte ich im Som­mer im­mer wie­der neue Ar­ten. Zur jet­zi­gen Jah­res­zeit ste­hen nur noch ein­same Ris­pen und Äh­ren. Die meis­ten von ih­nen sind nun ver­trock­net und ab­ge­bro­chen. Ver­ein­zelt we­hen ei­nige ih­rer Halme mit dem Wind. Ihre grün­gel­ben Über­bleib­sel be­de­cken die ganze Erde. Heute kann ich sie kaum noch von­ein­an­der un­ter­schei­den. Denn jetzt, zu Be­ginn des Win­ters, se­hen die dün­nen, lan­gen Blät­ter fast alle gleich aus. Nur noch ihr Le­bens­raum und even­tu­ell die Form ih­rer Blät­ter kön­nen mir ei­nen klei­nen Hin­weis ge­ben. Das ist was für Ex­per­ten!

Bei Wi­ki­pa­dia las ich, dass in Mit­tel­eu­ropa fast 500 ver­schie­dene Grä­ser wild wach­sen und die Fa­mile der Süß­grä­ser etwa 12.000 Ar­ten in rund 780 Gat­tun­gen um­fasst.[1]Grä­ser tra­ten zum ers­ten Mal in der Krei­de­zahl auf. Diese Fa­mi­lie ist äl­ter als wir. Die ho­hen glat­ten kah­len Stän­gel mit schma­len grü­nen oder bläu­lich­grü­nen fla­chen Blät­tern, brei­ten sich auf Äckern und in Gär­ten, auf Schütt­plät­zen und an Ufern über­all aus. Auf stick­stoff­rei­chen Lehm- und Ton­bö­den ge­dei­hen sie be­son­ders präch­tig und selbst vor Hö­hen von etwa 1000 m er­schreckt sich die Aus­dau­ernde nicht.

Gräser im WindIch schaue mir ei­nige der tro­cke­nen Äh­ren ge­nauer an. Ihre win­zi­gen Blü­ten sind mit un­se­rem Auge kaum sicht­bar. Nun schaue ich in den Roth­ma­ler nach. Kann ich sie be­stim­men? Ich schaffe grad mal so, das Knaul­gras (Dac­ty­lis glo­me­rata) zu er­ken­nen. Bei den an­de­ren Äh­ren wird es schwie­ri­ger. In die­sem ver­blüh­ten Ent­wick­lungs­sta­dium hat sich die Pflanze zu­rück­ge­zo­gen. Die Ris­penäh­ren sind gelb und tro­cken und sie schei­nen alle gleich. Nach län­ge­rer Be­trach­tung, meine ich die Quecke zu se­hen. Si­cher bin ich mir nicht. Ihre Blät­ter sind aber noch grün. Der Hund und die Katze mö­gen sie. Ich grabe sie aus und finde schnell die wei­ßen, di­cken Wur­zeln. Vor­sich­tig ziehe ich sie her­aus, denn sie kann bis zu ei­nem Me­ter lang wer­den. Jezt bin ich mir si­cher, das ist die Kriech-Quecke (Elyt­ri­gia repens), Ge­meine oder die Ge­wöhn­li­che Quecke. In der Volks­kunde wird sie auch Flecht­gras, Hunds­gras, Rech­gras, Ruch­gras, Schließ­gras­wur­zel, Wurm­gras oder Zwe­cke be­zeich­net.

Die Volks­na­men ge­ben oft Hin­weise auf ih­ren Ge­brauch. Das Flecht­gras war si­cher­lich ein gu­tes Flecht­werk­zeug. Der Hund ver­weilt gern am Hunds­gras. Un­ser Taro grast oft an sei­nem ge­lieb­ten Queckenört­chen und knab­bart an den fri­schen Lan­zet­ten. Las­sen wir sie wach­sen, dann ist sie im nächs­ten Som­mer über­all im Gar­ten. Ihre schlan­ken, äh­ri­gen Blü­ten streckt sie dann von Mai bis Au­gust ele­gant zur Sonne.

Mit ei­ni­gen der hei­mi­schen, wild­wach­se­nen Grä­sern kann man sich selbst­ver­sor­gen. Be­son­dere Nutz­pflan­zen, wie un­ser Ge­treide ge­hö­ren zu die­ser Fa­mi­lie. Selbst in der Stein­zeit wi­ckelte man schon Körbe aus ih­nen und nutzte sie zum Haus­bau. Die Ge­wöhn­li­che Quecke (Elyt­ri­gia repens) fin­det so­gar ih­ren Platz in un­se­rer hei­mi­schen Wild­kü­che. Un­glaub­lich, dass diese Quecke, das »Un­gras« in un­se­ren Gär­ten, als ein­zige ih­rer Art, zu den ess­ba­ren Wild­pflan­zen ge­hört! Ihre Sa­men, Blät­ter und Wur­zeln sind ess­bar und ge­sund, denn sie be­inhal­ten Koh­len­hy­drate, äthe­ri­sche Öle, Schleim­stoffe, Sa­po­nine, lös­li­che Kie­sel­säu­ren, Mi­ne­ral­salze, Ei­sen, Vit­amin A und B. Selbst im Win­ter sind die Blät­ter auf­find­bar. Der Wild­pflan­zen­ken­ner sam­melt nur die Kriech-Quecke und ver­wech­selt sie nicht mit der un­ter Na­tur­schutz ste­hen­den Haar­gerste (Ely­mus). Der Ge­nies­ser sollte die Pflanze be­stim­men kön­nen, denn erst dann darf sie roh ge­nos­sen wer­den. Ge­trock­nete Wur­zeln und Sa­men las­sen sich zu Mehl- oder Kaf­feer­satz ver­ar­bei­ten. Ihre jun­gen Blät­ter und Wur­zeln wer­den klein­ge­hackt und zu Sup­pen oder Sa­la­ten bei­gemengt. In mei­nem Kopf lasse ich ein neues Re­zept ent­ste­hen.

Eure Nah­rungs­mit­tel sol­len eure Heil­mit­tel sein und eure Heil­mit­tel sol­len eure Nah­rungs­mit­tel sein. Riet Hip­po­kra­tes von Kos (460 — etwa 377 vor Chr.) den Men­schen. Die­ser schlaue Satz trifft ge­nau auf diese Wild­pflanze zu. Denn schon in der An­tike wurde sie als Heil­pflanze ver­wen­det. Dio­skuri­des und Pli­nius spra­chen der Wur­zel hei­lende Wir­kung zu. Heute ist die an­ti­bak­te­ri­elle Wir­kung der äthe­ri­schen Öle des Wur­zel­stocks nach­ge­wie­sen. Si­cher­lich wird sie des­halb in der Volks­kunde als Wurm­gras be­zeich­net. In frü­he­ren Zei­ten voll­brachte sie wahre Wun­der. Im Volks­brauch­tum wur­den ihr des­in­fi­zie­ren­den und rei­ni­gen­den Kräfte zu­ge­schrie­ben. Sie wurde ver­räu­chert, um Haut­pro­bleme, Seu­chen und Krank­hei­ten vor­zu­beu­gen. Heute wird die Quecke auch in der Pflan­zen­heil­kunde (Phy­to­the­ra­pie) an­ge­wandt. Die im­mun­stär­kende Wir­kung der Heil­pflanze kann bei Er­käl­tun­gen, Ka­thar­ren und bak­te­ri­el­len In­fek­ten Un­ter­stüt­zung leis­ten und wird als Tee, Saft und an­dere Heil­mit­tel ver­ab­reicht.

Es ist eine wun­der­bare Ent­de­ckung! Ob­wohl die Quecke bei­nahe im­mer bei uns steht, über­se­hen wir sie so oft. Auch wenn wir diese Pflanze un­gern im Gar­ten se­hen, hat uns die Na­tur doch et­was sehr wert­vol­les ge­schenkt. Die In­sek­ten wis­sen es,  denn über ach­zig In­sek­ten­ar­ten flie­gen sie gern an. Er­näh­ren wir uns auch mit Quecke, dann gibt sie uns Kraft und er­quickt uns. Nun nehme ich sie wahr! Ihre grüne Farbe er­hei­tert mein Ge­müt. Das mäch­tige Wurzl­werk durch­luf­tet den Bo­den und setzt ihn in Be­we­gung. So steht sie da. Fast al­leine. Bei­nahe ver­trock­net. Doch schon sam­melt sie neue Kräfte, um im Som­mer mit ih­ren lan­gen Gras­hal­men wie­der die Sonne zu tan­ken.

Ich ver­beuge mich vor die­ser kraft­vol­len Pflanze. Vol­ler De­mut stehe ich vor ihr. Ich fühle eine Ach­tung vor der Na­tur, die uns al­les schenkt, was wir brau­chen. Wir müs­sen nur hin­schauen!

Der Weg zwischen den Feldern

Un­sere erste Fahr­rad­tour in die­sem Jahr. Wir woll­ten den Vor­füh­ling an die­sem wun­der­schö­nen Tag will­kom­men hei­ßen. Die Son­nen­strah­len leg­ten die Welt in warme Far­ben. Wir fuh­ren quer­feld­ein ein. Vom Wei­ten grüßte uns ein gro­ßer Rot­mil­lan (Mil­vus mil­vus), wel­cher ge­rade erst hier an­ge­kom­men sein musste. Fröh­lich se­gelte er auf den Win­den. Si­cher­lich ist er ge­nauso glück­lich wie wir, hier wie­der sein zu dür­fen.  Zwei alte Ei­chen er­streckte sich vor uns. Mit­ten auf dem Weg zwi­schen den Fel­dern stan­den sie fest. Eine be­son­dere At­mo­sphäre spür­ten wir un­ter den rie­si­gen Bäu­men. Kohl- und Blau­mei­sen zwit­scher­ten in ih­ren Kro­nen. Was kön­nen sie uns al­les er­zäh­len?

Ein Weihnachten ohne Tannenbaum

Sind Tan­nen­bäume wirk­lich noch zeit­ge­mäß? Un­ser Pla­net ist krank und wir ho­len uns je­des Jahr für ein paar Wo­chen ei­nen ab­ge­schnit­te­nen Baum ins Haus. In Deutsch­land wur­den im letz­ten Jahr ca. 30 Mil­lio­nen Tan­nen­bäume ver­kauft. Die Ten­denz ist stei­gend. Tan­nen­bäume be­nö­ti­gen ca. 10 Jahre bis zu ih­rer vol­len Reife. Da­mit sie schön wach­sen und eine ent­spre­chende Form er­hal­ten, wer­den sie in die­ser Zeit üp­pig ge­düngt. Die NABU in­for­miert, dass zu­sätz­lich In­sek­ti­zide ge­gen Rüs­sel­kä­fer und Läuse, Her­bi­zide ge­gen kon­kur­rie­ren­des Ge­wächs und Mi­ne­ral­dün­ger für ei­nen gleich­mä­ßi­gen Wuchs und für eine in­ten­sive Grün- und Blau­fär­bung der Na­deln gepritzt wird. Diese che­mi­schen Cock­tails ge­lan­gen in un­ser Grund­was­ser und scha­den dau­er­haft un­se­rer Erde. Diese Art des An­baus kann so­gar un­sere Ge­sund­heit be­las­ten, wenn der mit Che­mi­ka­lien be­han­delte Weih­nachts­baum über Wo­chen im Zim­mer steht. So grün wie ein Tan­nen­baum er­scheint ist er also gar nicht.

Seit Jah­ren frage ich mich, wie not­wen­dig ein Tan­nen­baum zum Fest der Liebe sein muss. Ich habe noch nie ei­nen Sinn darin ge­se­hen, des­we­gen ha­ben wir uns nie ei­nen Tan­nen­baumn an­ge­schafft. Statt­des­sen schnei­den wir je­des Jahr ei­nige Fich­ten­zweige aus un­se­rem Gar­ten ab und stel­len diese in eine Vase ins Wohn­zim­mer. Wir schmü­cken sie mit ei­ni­gen Stroh­ster­nen und ei­ner al­ten Lich­ter­kette. Das Weih­nachts­ge­fühl kommt trotz­dem.

Der Brauch der Weih­nacht­bäume ist auf die vor­christ­li­che Zeit zu­rück­zu­füh­ren. Da­mals ha­ben sich die Men­schen ei­nige Zweige der im­mer­grü­nen Bäume und Stäu­cher in die Stu­ben ge­stellt, da sie glaub­ten, dass diese Pflan­zen, wie Wa­chol­der, Buchs­baum, Kie­fer, Fichte oder Stech­palme, be­son­dere Kräfte in sich tru­gen. Au­ßer­dem wa­ren die Im­mer­grü­nen ein Zei­chen da­für, dass nach dem Win­ter der Früh­ling wie­der­kehrt.

Ich finde die­sen Ge­dan­ken sehr schön. Ebenso wie die Lich­ter, wel­che die bö­sen Geis­ter ab­weh­ren soll­ten. Heute ist aber al­les im Über­fluss. Ich kann es mir kaum vor­stel­len, dass es in 20 Jah­ren im­mer noch so sein wird, dass wir Mil­lio­nen von Tan­nen­bäu­men für die Weih­nachs­zeit an­bauen, um diese wie­der ab­zu­hol­zen und nach ei­ni­gen Wo­chen auf den Müll zu wer­fen. Wenn es kei­nen Tan­nen­baum mehr gibt, wird das Weih­nachts­fest dann rui­niert sein? Oder wacht die Mensch­heit dann auf be­sinnt sich auf das We­sent­li­che?

Ich denke, dass wir in ei­ner Zeit le­ben, in der wir auch un­sere Bräu­che und Ge­wohn­hei­ten zum Schutz der Erde ver­än­dern müs­sen. Ich würde mir wün­schen, dass die Men­schen um­den­ken. Es wäre schön, wenn je­der von uns den Pla­ne­ten schützt und zu ei­nem fried­li­chen Mit­ein­an­der bei­trägt. Dann könnte ein Weih­nachts­fest auch ohne ei­nen Tan­nen­baum aus­kom­men.