Vom Eise befreit sind Strom und Bäche

Vom Eise be­freit sind Strom und Bä­che,
Durch des Früh­lings hol­den, be­le­ben­den Blick,
Im Tale grü­net Hoff­nungs-Glück;
Der alte Win­ter, in sei­ner Schwä­che,
Zog sich in rauhe Berge zu­rück.

Von dort­her sen­det er, flie­hend, nur
Ohn­mäch­tige Schauer kör­ni­gen Ei­ses
In Strei­fen über die grü­nende Flur;
Aber die Sonne dul­det kein Weis­ses,
Über­all regt sich Bil­dung und Stre­ben,
Al­les will sie mit Far­ben be­le­ben;
Doch an Blu­men fehlts im Re­vier,
Sie nimmt ge­putzte Men­schen da­für.

Kehre dich um, von die­sen Hö­hen
Nach der Stadt zu­rück zu se­hen.
Aus dem hoh­len fins­tern Tor
Dring ein bun­tes Ge­wim­mel her­vor.
Je­der sonnt sich heute so gern.
Sie fei­ern die Auf­er­ste­hung des Herrn,
Denn sie sind sel­ber auf­er­stan­den,
Aus nied­ri­ger Häu­ser dump­fen Ge­mä­chern,
Aus Hand­werks- und Ge­wer­bes Ban­den,
Aus dem Druck von Gie­beln und Dä­chern,
Aus Stras­sen quet­schen­der Enge,
Aus der Kir­chen ehr­wür­di­ger Nacht
Sind sie alle ans Licht ge­bracht.

Sieh nur sieh! wie be­hend sich die Menge
Durch die Gär­ten und Fel­der zer­schlägt,
Wie der Fluss, in Breit‹ und Länge,
So man­chen lus­ti­gen Na­chen be­wegt,
Und, bis zum Sin­ken über­la­den
Ent­fernt sich die­ser letzte Kahn.
Selbst von des Ber­ges fer­nen Pfa­den
Blin­ken uns far­bige Klei­der an.

Ich höre schon des Dorfs Ge­tüm­mel,
Hier ist des Vol­kes wah­rer Him­mel,
Zu­frie­den jauch­zet gross und klein:
Hier bin ich Mensch, hier darf ich sein.

Jo­hann Wolf­gang von Goe­the, Os­ter­spa­zier­gang, Faust I

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