Die weiten Felder vor meiner Tür

Die Fel­der vor mei­ner Tür er­in­nern mich oft an die Weite der Ost­see. Ich stehe am Rand, schaue in die Ferne und spüre den Wind in mei­nem Ge­sicht. Die Schat­ten der vie­len Wol­ken zie­hen vor­bei. Wenn ich die Au­gen zu­sam­men kneife, se­hen sie aus wie Wel­len auf dem Meer. Ich kann ziem­lich weit in die Welt schauen. Statt Schif­fen und Boo­ten er­kenne ich die ro­ten Dä­cher der be­nach­bar­ten Dör­fer, die Fel­der und Wäl­der und ganz weit am Ho­ri­zont sehe ich ei­nen al­ten Kirch­turm. Statt Mö­wen se­geln hoch oben in den Lüf­ten die gro­ßen See­ad­ler mit ih­ren weit aus­gepann­ten Flü­geln. Statt Mu­scheln lie­gen un­zäh­lige kleine und große Steine auf dem Bo­den, von de­nen je­der ein­zelne seine ei­gene Ge­schichte er­zählt. Die, die mir am bes­ten ge­fal­len, nehme ich mit nach Hause. Die Fel­der vor mei­ner Tür ver­än­dern sich je­den Tag. Sie se­hen nie gleich aus. Aus dunk­lem Braun wird sat­tes Grün. Aus sat­tem Grün wird leuch­ten­des Gelb und glit­zern­des Gold. Aus Ocker wird wie­der das dunkle Braun, be­vor der Win­ter es mit sei­nem Weiß über­zieht. Ich atme tief ein und ge­nieße die Weite vor mei­ner Tür.

Mein Tag beginnt

Ich muss zur Ar­beit. Komm mit, steig ein, lass Dich mit­neh­men. Stell Dir vor, wie Du am frü­hen Mor­gen aus dem Haus gehst. Schon vor der Tür ver­ab­schie­det Dich der beste Hund. Draus­sen at­mest Du die fri­sche Luft der Fel­der und Wäl­dern ein. Der Win­ter neigt sich dem Ende und die ers­ten Früh­lings­bo­ten zei­gen ihre bun­ten Köpfe. Es ist noch dun­kel. Al­les ist still, die Welt schläft noch. Aus der Ferne er­tö­nen die ers­ten Weck­rufe der Kra­ni­che. Du ge­nießt die­sen Mo­ment, steigst in Dein Auto und fährst los. We­nig spä­ter taucht über den Fel­dern aus dem Ne­bel die auf­ge­hende Sonne auf. Sie ist rie­sen­groß und leuch­tet in ih­rem schöns­ten Rosa. Der Him­mel lässt sich von ihr ver­zau­bern. Du schaust in die Weite und freust Dich über die­sen wun­der­vol­len An­blick. Du fährst wei­ter. Im Ra­dio läuft ent­spannte Mu­sik. Lang­sam wird es hell. Plötz­lich ent­deckst Du ganz in der Nähe zwei Kra­ni­che. Die Vö­gel des Glücks schrei­ten ge­müt­lich über das Feld, hin­ter ih­nen die auf­ge­hende Sonne, die dun­kel­orange leuch­tet. Es ist ein schö­ner Au­gen­blick.

Et­was wei­ter be­grü­ßen Dich die ers­ten Häu­ser der na­he­lie­gen­den Dör­fer. In ei­ni­gen Fens­tern brennt schon das Licht. Die Men­schen wer­den wach. Auf der Straße be­geg­nest Du kaum ei­nem Auto bis das Orts­ein­gangs­schild er­scheint und der Stadt­ver­kehr be­ginnt. Am Rande der Stadt war­tet ein traum­haf­ter Blick auf den gro­ßen See auf Dich. Du er­haschst die wun­der­volle Land­schaft, wie sich die Bäume des Na­tio­nal­parks im Was­ser spie­geln und die röt­li­che Sonne die Nacht ver­ab­schie­det. Du freust Dich. Nun folgst Du dem Ver­kehr. Für eine Weile be­glei­tet Dich der See und im­mer wie­der fängst Du die­sen schö­nen Blick ein. Am Orts­aus­gangs­schild bleibst Du an der ro­ten Am­pel ste­hen. Du hast zwar noch ei­nige Zeit zu fah­ren, doch es bleibt span­nend. Was be­geg­net Dir heute? Viel­leicht ei­nige Rehe auf den Fel­dern? Viel­leicht ein gro­ßer Greif­vo­gel? Viel­leicht so­gar ein See­ad­ler? Oder doch die vor­bei­flie­gen­den Zug­vö­gel? Die Mu­sik aus dem Ra­dio be­glei­tet Dich. Du bist zu­frie­den. Du schaust schnell um Dich und ent­deckst in der Ferne tat­säch­lich ei­nige Rehe. Wie schön das aus­sieht, wenn sie so in Ruhe äsen. Von Wei­tem be­grüßt Dich der hohe Turm des Klos­ters und Deine Fahrt neigt sich dem Ende.

Du biegst in die kleine Stadt ein, die vom Was­ser um­ge­ben ist. Auf den Seen siehst Du nur ei­nige En­ten und Ko­mo­rane. In der war­men Jah­res­zeit pas­sie­ren hier Hun­derte von Boo­ten die Was­ser­wege. Über ei­nen bu­cke­li­gen al­ten Damm fährst Du auf die In­sel. Du kannst Dir Zeit neh­men und ge­mäch­lich durch die en­gen Stra­ßen fah­ren. Hin­ter Dir strahlt die Sonne mitt­ler­weile in ih­rem hells­ten Gelb. Nun ver­lässt Du die In­sel über eine Brü­cke und parkst gleich ge­müt­lich ein. Du steigst aus und at­mest tief durch. Die fri­sche Luft durch­strömt Dei­nen Kör­per. Der Tag be­ginnt!

Die Erinnerung

Die letz­ten Tage ver­brach­ten wir am Meer. Die Winde der Ost­see weh­ten Er­in­ne­run­gen an meine Kind­heit zu­rück. Ich spielte wie­der mit den Qual­len und baute aus dem war­men, wei­chen Strand­sand Bur­gen und bud­delte el­len­lange Lö­cher.

Plötz­lich stand ich im Meer. Ne­ben mir mein Va­ter. Eine mäch­tige Welle kam und über­schwemmte mich. Ge­rade noch so konnte ich nach Luft schnap­pen, schon über­spülte mich die nächste Welle. Das Meer tobte. Mein Va­ter hielt mich fest und ich ver­schluckte das Was­ser. Meine Beine wa­ren zu kurz, um den Grund zu er­fas­sen. Das ein­zige was mich hielt, war die Hand mei­nes Va­ters. »So muss es sein«, schall­ten seine Worte zu mir her­über, wie die Worte des Nep­tuns. Das Kind muss das Meer spü­ren ler­nen. Das war der Au­gen­blick, in dem mir Flos­sen wuch­sen. Das Meer und ich ver­ein­ten uns.

Das La­chen der Mö­wen holte mich wie­der zu­rück, doch das Rau­schen der Bran­dung ließ mich wei­ter träu­men. So ludt mich das Meer ein und die Sehn­sucht da­nach ließ mich kurz zu­cken. Sollte ich mich ver­wan­deln und ins Meer sprin­gen? Wie gerne würde ich un­ter­tau­chen und die Tie­fen von Nep­tuns Reich er­for­schen. Ich wollte es er­grei­fen. Doch das ein­zige was ich hier grei­fen konnte, wa­ren die schö­nen Mu­scheln, mit ih­ren Ge­schich­ten von fer­nen Län­dern.