April, April
»Im April mit seinen Launen,
kann man über manches staunen;
Regenguß und Sonnenschein,
auch der Schnee gesellt sich drein.«
Oskar Stock
»Im April mit seinen Launen,
kann man über manches staunen;
Regenguß und Sonnenschein,
auch der Schnee gesellt sich drein.«
Oskar Stock
»Die Hoffnung, die das Risiko scheut, ist keine Hoffnung.
Hoffen heißt, an das Abenteuer der Liebe glauben,
Vertrauen zu den Menschen haben,
den Sprung ins Ungewisse tun
und sich ganz Gott überlassen.«
Dom Helder Pessoa Camara
Die Felder vor meiner Tür erinnern mich oft an die Weite der Ostsee. Ich stehe am Rand, schaue in die Ferne und spüre den Wind in meinem Gesicht. Die Schatten der vielen Wolken ziehen vorbei. Wenn ich die Augen zusammen kneife, sehen sie aus wie Wellen auf dem Meer. Ich kann ziemlich weit in die Welt schauen. Statt Schiffen und Booten erkenne ich die roten Dächer der benachbarten Dörfer, die Felder und Wälder und ganz weit am Horizont sehe ich einen alten Kirchturm. Statt Möwen segeln hoch oben in den Lüften die großen Seeadler mit ihren weit ausgepannten Flügeln. Statt Muscheln liegen unzählige kleine und große Steine auf dem Boden, von denen jeder einzelne seine eigene Geschichte erzählt. Die, die mir am besten gefallen, nehme ich mit nach Hause. Die Felder vor meiner Tür verändern sich jeden Tag. Sie sehen nie gleich aus. Aus dunklem Braun wird sattes Grün. Aus sattem Grün wird leuchtendes Gelb und glitzerndes Gold. Aus Ocker wird wieder das dunkle Braun, bevor der Winter es mit seinem Weiß überzieht. Ich atme tief ein und genieße die Weite vor meiner Tür.
Ich muss zur Arbeit. Komm mit, steig ein, lass Dich mitnehmen. Stell Dir vor, wie Du am frühen Morgen aus dem Haus gehst. Schon vor der Tür verabschiedet Dich der beste Hund. Draussen atmest Du die frische Luft der Felder und Wäldern ein. Der Winter neigt sich dem Ende und die ersten Frühlingsboten zeigen ihre bunten Köpfe. Es ist noch dunkel. Alles ist still, die Welt schläft noch. Aus der Ferne ertönen die ersten Weckrufe der Kraniche. Du genießt diesen Moment, steigst in Dein Auto und fährst los. Wenig später taucht über den Feldern aus dem Nebel die aufgehende Sonne auf. Sie ist riesengroß und leuchtet in ihrem schönsten Rosa. Der Himmel lässt sich von ihr verzaubern. Du schaust in die Weite und freust Dich über diesen wundervollen Anblick. Du fährst weiter. Im Radio läuft entspannte Musik. Langsam wird es hell. Plötzlich entdeckst Du ganz in der Nähe zwei Kraniche. Die Vögel des Glücks schreiten gemütlich über das Feld, hinter ihnen die aufgehende Sonne, die dunkelorange leuchtet. Es ist ein schöner Augenblick.
Etwas weiter begrüßen Dich die ersten Häuser der naheliegenden Dörfer. In einigen Fenstern brennt schon das Licht. Die Menschen werden wach. Auf der Straße begegnest Du kaum einem Auto bis das Ortseingangsschild erscheint und der Stadtverkehr beginnt. Am Rande der Stadt wartet ein traumhafter Blick auf den großen See auf Dich. Du erhaschst die wundervolle Landschaft, wie sich die Bäume des Nationalparks im Wasser spiegeln und die rötliche Sonne die Nacht verabschiedet. Du freust Dich. Nun folgst Du dem Verkehr. Für eine Weile begleitet Dich der See und immer wieder fängst Du diesen schönen Blick ein. Am Ortsausgangsschild bleibst Du an der roten Ampel stehen. Du hast zwar noch einige Zeit zu fahren, doch es bleibt spannend. Was begegnet Dir heute? Vielleicht einige Rehe auf den Feldern? Vielleicht ein großer Greifvogel? Vielleicht sogar ein Seeadler? Oder doch die vorbeifliegenden Zugvögel? Die Musik aus dem Radio begleitet Dich. Du bist zufrieden. Du schaust schnell um Dich und entdeckst in der Ferne tatsächlich einige Rehe. Wie schön das aussieht, wenn sie so in Ruhe äsen. Von Weitem begrüßt Dich der hohe Turm des Klosters und Deine Fahrt neigt sich dem Ende.
Du biegst in die kleine Stadt ein, die vom Wasser umgeben ist. Auf den Seen siehst Du nur einige Enten und Komorane. In der warmen Jahreszeit passieren hier Hunderte von Booten die Wasserwege. Über einen buckeligen alten Damm fährst Du auf die Insel. Du kannst Dir Zeit nehmen und gemächlich durch die engen Straßen fahren. Hinter Dir strahlt die Sonne mittlerweile in ihrem hellsten Gelb. Nun verlässt Du die Insel über eine Brücke und parkst gleich gemütlich ein. Du steigst aus und atmest tief durch. Die frische Luft durchströmt Deinen Körper. Der Tag beginnt!
Die letzten Tage verbrachten wir am Meer. Die Winde der Ostsee wehten Erinnerungen an meine Kindheit zurück. Ich spielte wieder mit den Quallen und baute aus dem warmen, weichen Strandsand Burgen und buddelte ellenlange Löcher.
Plötzlich stand ich im Meer. Neben mir mein Vater. Eine mächtige Welle kam und überschwemmte mich. Gerade noch so konnte ich nach Luft schnappen, schon überspülte mich die nächste Welle. Das Meer tobte. Mein Vater hielt mich fest und ich verschluckte das Wasser. Meine Beine waren zu kurz, um den Grund zu erfassen. Das einzige was mich hielt, war die Hand meines Vaters. »So muss es sein«, schallten seine Worte zu mir herüber, wie die Worte des Neptuns. Das Kind muss das Meer spüren lernen. Das war der Augenblick, in dem mir Flossen wuchsen. Das Meer und ich vereinten uns.
Das Lachen der Möwen holte mich wieder zurück, doch das Rauschen der Brandung ließ mich weiter träumen. So ludt mich das Meer ein und die Sehnsucht danach ließ mich kurz zucken. Sollte ich mich verwandeln und ins Meer springen? Wie gerne würde ich untertauchen und die Tiefen von Neptuns Reich erforschen. Ich wollte es ergreifen. Doch das einzige was ich hier greifen konnte, waren die schönen Muscheln, mit ihren Geschichten von fernen Ländern.