Geheimnisse der Pommerschen Bucht

Die Mu­scheln flüs­ter­ten uns ei­nige Ge­schich­ten zu, von Wi­kin­gern, von See­bä­dern, vom Na­tur­schutz und von Krie­gen. Wir woll­ten es selbst er­le­ben! So stie­gen wir ins Auto ein und fuh­ren der Sonne ent­ge­gen. Doch schon nach 3 km tauchte ein Hin­der­nis auf, die deutsch-pol­ni­sche Grenze. Kalle war noch nie auf der an­de­ren Seite. Wir woll­ten es wis­sen und pas­sier­ten die Grenze.

Eine Zeit lang fiel uns nichts Be­son­de­res auf: glei­cher Him­mel, glei­che Bäume, glei­che Luft. Doch schon bald sa­hen wir die ers­ten Häu­ser von Swi­ne­münde und et­li­che Ver­kaufs­bu­den; ein Zi­ga­ret­ten­han­del nach dem an­de­ren. Hier war ja rich­tig was los: viele Men­schen, viele Häu­ser, viele Au­tos. Ob­wohl der pol­ni­sche Teil der In­sel viel klei­ner ist als der deut­sche, le­ben hier bei­nahe 15.000 Men­schen mehr. Und das merk­ten wir. Selt­sam, wie un­ter­schied­lich das so sein kann! Wir fuh­ren wei­ter und plötz­lich tauchte ein wei­te­res Hin­der­nis auf. Die Straße en­dete und ein Ha­fen er­öff­nete sich vor uns. Eine Fähre stand be­reit zur Über­fahrt. Zu­rück woll­ten wir nicht. Also ent­schlos­sen wir uns, die Was­ser­straße zu pas­sie­ren. Da stan­den wir nun auf der an­de­ren Seite. Ich schnappte mir schnell die Land­karte. Zum Glück war dar­auf noch ein Teil der Route zu se­hen. Wir be­fan­den uns auf der größ­ten In­sel Po­lens: Wol­lin.

Die Straße führte durch ei­nen Na­tio­nal­park. Um uns herum sa­hen wir über­all End­mo­rä­nen, die ein­deu­ti­gen Zeit­zeu­gen aus der Eis­zeit. Wir woll­ten je­doch die Küste se­hen. An der nächs­ten Ein­fahrt fuh­ren wir in den Wald hin­ein. Plötz­lich sa­hen wir nicht nur Bäume, son­dern auch große ver­las­sene Ge­bäude. Zu­nächst mach­ten wir uns keine Ge­dan­ken darum. An der höchs­ten Stelle des Hangs war eine Lich­tung und da­hin­ter er­öff­nete sich vor uns ein wun­der­vol­ler Aus­blick auf die un­be­rühr­ten Na­tur. Es war be­zau­bernd.

Wir ge­nos­sen die­sen herr­li­chen Aus­blick. Doch die Rui­nen im Wald ga­ben uns keine Ruhe. Wir gin­gen zu­rück zur Lich­tung und er­kun­de­ten die Ge­gend. Da­bei fan­den wir wei­tere Über­reste ei­ner Bun­ker- und Be­fes­ti­gungs­an­lage. Das musste noch aus der Kriegs­zeit ste­hen ge­blie­ben sein.

Ir­gend­wie war es un­heim­lich diese To­ten der Zeit auf­zu­we­cken. Mit klei­nen Hin­wei­sen teil­ten sie uns ihr Er­leb­tes mit.

Wir wa­ren ver­blüfft, von die­ser Grö­ßer und die­ser Be­deu­tung des Or­tes. Un­fass­bar, wel­che Ge­heim­nisse sich an man­chen Or­ten ver­ste­cken und wenn man lauscht, flüs­tern sie ei­nem Ge­schich­ten zu.

Die Erinnerung

Die letz­ten Tage ver­brach­ten wir am Meer. Die Winde der Ost­see weh­ten Er­in­ne­run­gen an meine Kind­heit zu­rück. Ich spielte wie­der mit den Qual­len und baute aus dem war­men, wei­chen Strand­sand Bur­gen und bud­delte el­len­lange Lö­cher.

Plötz­lich stand ich im Meer. Ne­ben mir mein Va­ter. Eine mäch­tige Welle kam und über­schwemmte mich. Ge­rade noch so konnte ich nach Luft schnap­pen, schon über­spülte mich die nächste Welle. Das Meer tobte. Mein Va­ter hielt mich fest und ich ver­schluckte das Was­ser. Meine Beine wa­ren zu kurz, um den Grund zu er­fas­sen. Das ein­zige was mich hielt, war die Hand mei­nes Va­ters. »So muss es sein«, schall­ten seine Worte zu mir her­über, wie die Worte des Nep­tuns. Das Kind muss das Meer spü­ren ler­nen. Das war der Au­gen­blick, in dem mir Flos­sen wuch­sen. Das Meer und ich ver­ein­ten uns.

Das La­chen der Mö­wen holte mich wie­der zu­rück, doch das Rau­schen der Bran­dung ließ mich wei­ter träu­men. So ludt mich das Meer ein und die Sehn­sucht da­nach ließ mich kurz zu­cken. Sollte ich mich ver­wan­deln und ins Meer sprin­gen? Wie gerne würde ich un­ter­tau­chen und die Tie­fen von Nep­tuns Reich er­for­schen. Ich wollte es er­grei­fen. Doch das ein­zige was ich hier grei­fen konnte, wa­ren die schö­nen Mu­scheln, mit ih­ren Ge­schich­ten von fer­nen Län­dern.

Der beste Hund der Welt

Das Le­ben hat mich mit ei­nem groß­ar­ti­gen Be­glei­ter be­schenkt. Da­für bin ich dank­bar. Teddy — der beste Hund auf der Welt, ein Pracht­kerl. Die Mix­tur zwi­schen ei­nem Ber­ner Sen­nen­hund und ei­nem Rott­wei­ler macht ihn zum per­fek­ten Be­schüt­zer und lie­bens­wer­ten Ka­me­ra­den. Ob­wohl wir uns erst seit dem vor­letz­ten Herbst ken­nen, ha­ben wir uns beide sehr ins Herz ge­schlos­sen.

Schon mor­gens vor der Ar­beit, wenn ich meine Zei­tung hole, be­grüßt er mich ganz ver­schla­fen. Trotz sei­ner Mü­dig­keit steht er kurz auf, we­delt mit sei­nem Schwanz und krab­belt wie­der ganz schnell in seine Hütte zu­rück. Zur Mit­tags­zeit war­tet er sehn­lichst vor dem Zaun, um mich vol­ler Herz­lich­keit zu be­grü­ßen. Beim Öff­nen des Tors bellt er und um­run­det vol­ler Freude mein Auto und mich. Schnell schnappt er nach sei­nem ro­ten Ball, be­reit zum Spie­len. So be­grü­ßen wir uns.

Meine Er­in­ne­run­gen an un­sere erste Be­geg­nung sind noch sehr deut­lich. Be­reits da be­grüßte er mich vol­ler Freude. Mein Ge­ruch war ihm an­schei­nend nicht ganz un­be­kannt. Es war die Liebe auf den ers­ten Blick! Auch wenn ich in der ers­ten Wo­che noch re­la­tiv viel Re­spekt vor ihm hatte, vor al­lem vor sei­nen gro­ßen Zäh­nen und sei­nem lau­ten Bel­len, ha­ben wir schon da ge­mein­sam im Gar­ten ge­spielt. Es wa­ren die Son­nen­strah­len, die uns er­wärm­ten, als wir vor der Haus­tür ge­mein­sam die Zeit ver­brach­ten. Ich auf der Ho­ly­wood­schau­kel und Teddy da­ne­ben, vol­ler Ver­lan­gen nach Strei­chel­ein­hei­ten. Bei sei­nem glän­zen­den Fell und sei­nem lie­be­vol­len We­sen ist es nur schwer, ihm die­ses ab­zu­schla­gen. Mit ge­senk­ten Oh­ren und of­fe­nem Maul schaut er ei­nen lä­chelnd an. Da­bei hat man das Ge­fühl, dass er je­des Wort ver­steht. So ist es ge­blie­ben, dass wir fast täg­lich ge­mein­sam um die »Bäume« zie­hen. Dann er­le­ben wir jede Menge Aben­teuer und be­vor ich das Haus ver­lasse, ahnt er schon, dass wir wie­der un­sere Run­den dre­hen. Vol­ler Un­ge­duld springt er dann und ver­langt nach sei­ner Leine. Diese darf in sei­nem Maul nicht feh­len. Stolz läuft er vor­aus.