Frühlingsgefühle

Mit den ers­ten war­men Son­nen­strah­len trau­ten sich die klei­nen Blät­ter­spit­zen ganz vor­sich­tig her­aus. Nur un­gern woll­ten sie al­leine auf diese Welt, des­we­gen fass­ten sie sich an die Hand und be­gan­nen ganz lang­sam ge­mein­sam zu wach­sen. Vor Freude leuch­te­ten sie in ih­rem schöns­ten Früh­lings­grün auf. Wie schön es hier draus­sen doch so ist, dach­ten sie sich und streck­ten sich im­mer wei­ter in den blauen Him­mel. Der Wind be­rührte sie ganz sanft und sie tanz­ten fröh­lich zur Me­lo­die des Früh­lings. Über­all um sie herum ent­deck­ten sie far­ben­frohe kleine Blü­ten­köpfe, kleine Blät­ter des ers­ten Lö­wen­zahns, frisch­grüne Gras­halme und hör­ten auf­ge­reg­tes Vo­gel­ge­zwit­scher. Hin und wie­der setzte sich so­gar ein Vo­gel auf ih­ren Ast, um sie mit ih­rem Ge­sang zu be­glü­cken. Sie lie­ßen sich von den fri­schen Düf­ten der Na­tur ver­zau­bern. Die klei­nen Blät­ter des gro­ßen Bau­mes strahl­ten vor Glück und Liebe und freu­ten sich ge­mein­sam, die Welt ent­de­cken zu dür­fen.

Invasion der Megaspinne

»Spinne am Mor­gen ver­treibt Kum­mer und Sor­gen« sagt Kalle. Klaro! Da schlei­che ich mir nichts, dir nichts ge­müt­lich und völ­lig ver­schla­fen, noch vor der all­täg­li­chen Mor­gen­toi­lette, in die Kü­che, um mir ei­nen schö­nen Kaf­fee auf­zu­brü­hen, als mich plötz­lich di­rekt über mei­nem Kopf ein acht­bei­ni­ges Krab­bel­mons­ter mit sei­nen Rie­sen­glubs­chern an­glotzt. Aaa!!! Ich er­starre und bin kurz da­vor, ei­nen Ur­schrei aus­zu­sto­ßen.

Diese fet­ten Spin­nen krab­beln aus al­len Ecken her­aus und nun ver­sperrt mir die­ses mu­tierte Ex­em­plar den Ein­gang zur Kü­che. Die Uhr tickt. Meine Zeit rennt. Ich muss zur Ar­beit!!! Wie soll ich jetzt mei­nem all­mor­gent­li­chen Ri­tual nach­ge­hen, wenn ich noch nicht ein­mal in die Kü­che komme? Lasse ich das Mons­trum links lie­gen, hüpfe schnell zum Kaf­fee­ma­schi­nen­knopf und schmiere mir mein le­cke­res Mar­ma­la­den­brot? Doch al­leine bei dem Ge­dan­ken, dass sie über mei­nem Kopf den täg­li­chen Zei­tungs­buch­sta­ben­sa­lat mit­liest, könnte ich wie­der auf­schreien. Es gibt nur eine Mög­lich­keit! Und schon bin ich mit drei Schrit­ten am Kü­chen­schrank, schnappe mir ei­nen durch­sich­ti­gen Plas­tik­be­cher und nehme mei­nen gan­zen Mut zu­sam­men. Ich werde die­ser Rie­sen­spinne den gan­zen Spaß ver­der­ben. Jetzt kommt mein Durch­bruch. Doch plötz­lich zu­cke ich zu­sam­men, sehe den Be­cher, sehe die Spinne: Be­cher zu klein, Spinne zu groß. Sollte da was schief ge­hen, krab­belt sie an­schlie­ßend auf mei­ner Hand. Zu­rück und drei Schritte wei­ter su­che ich schnell nach ei­nem grö­ße­ren Ge­fäß. Eine Plas­tik­schale fällt mir in die Hand, breit ge­nug, um nicht mit dem Glub­sch­mons­ter in Be­rüh­rung zu kom­men. Und wie­der bin ich to­des­mu­tig, schon ganz nah daran und kurz vor dem Ende, die Spinne ein­zu­fan­gen. Nur noch zwei Zen­ti­me­ter, doch das Ge­fäß ist zu nied­rig oder ich zu klein. Ein Stuhl könnte hel­fen. Soll ich es wa­gen? Nicht, dass sie mei­nen Schat­ten merkt und sich von der Stelle rührt. Schnell laufe ich zu­rück, fast gänz­lich im Schrank ver­schwun­den, finde ich im letz­ten Win­kel end­lich die per­fekte Falle. Ein wei­ßer Rühr­be­cher! Der wird die schwarze Ma­dame nach drau­ßen be­för­dern. Ich schlei­che mich an. Jetzt schnappe ich mir die­ses Mons­trum mit Leich­tig­keit. Vor­sich­tig stülpe ich den Be­cher über ih­ren fet­ten Kör­per, öffne das Fens­ter und ohne hin­zu­schauen schmeiße ich sie ge­schwind über Bord. Nun ist sie fort. Mis­sion erüllt, Kaf­fee läuft.

Spuren der Zeit

Die­ser Stein, mit den Spu­ren aus der Ver­gan­gen­heit liegt im Wald und ruht. Meine Ge­dan­ken ver­tie­fen sich in seine Jahr­tau­sende al­ten Zei­chen. Die Zeit ver­geht. Sie kommt nicht wie­der. Trotz­dem be­geg­nen mir auf mei­nem Weg Bruch­stü­cke des Ver­gan­ge­nen: eine Nach­richt, ein Mensch, ein Duft, ein Bild, ein Wort, ein Lied, ein Brief, ein­zelne Fet­zen. Oder aber ein Stein. Manch­mal ho­len sie mich ein und zei­gen ihr Ge­sicht. Dann tau­che ich ein und denke an Dich, an ihn, an sie. Schöne Er­in­ne­run­gen brei­ten sich aus, brin­gen Freude und Dank­bar­keit und die Hoff­nung auf ein Wie­der­se­hen. An­dere brin­gen Schmerz. Dann ver­schwimmt die Ge­gen­wart mit dem Ver­gan­ge­nen, der Blick wird trüb und ver­schlei­ert die Welt. Doch das Be­wusst­sein, in der Ge­gen­wart zu le­ben, er­löst mich von die­sen Ge­dan­ken. Un­er­war­tet und plötz­lich eine Nach­richt vom Tod. Für ei­nen Mo­ment er­starre ich. Ver­stor­ben. Ein Le­ben ist er­lo­schen. In der Ver­gan­gen­heit ver­tieft flie­ßen Trä­nen. Erst jetzt, eine Weile spä­ter, wird das Un­ver­ständ­li­che klar. Die ein­zel­nen Teile bil­den ein sinn­vol­les Gan­zes, ge­nau wie die­ser Stein, der die ver­gan­gene Zeit zu­sam­men hält. Ich schließe die Tür und kehre zu­rück. Die Ge­gen­wart ist die Chance, den Weg neu zu ge­stal­ten. Was bleibt, sind die Spu­ren der Zeit.

Mein Wunschbrunnen unter den Linden

Schau, dort im Gar­ten un­ter den Lin­den steht ein al­ter Brun­nen. Im Herbst, als schon alle Blät­ter von den Bäu­men ab­fie­len, be­deck­ten sie den Brun­nen fast voll­stän­dig. Ich fegte das Laub zu­sam­men und so wurde die­ser wie­der frei da­von. Plötz­lich hörte ich ein Ge­räusch. Es knirschte. Ein al­ter Stein rollte run­ter. Ich hob ihn auf. Doch ir­gend­wie wollte die­ser nicht wie­der an sei­nen al­ten Platz zu­rück. Die klei­nen Kris­talle auf sei­ner Ober­flä­che glänz­ten in der Herbst­sonne. Viel­leicht wollte mir die­ser et­was mit­tei­len, dachte ich mir. Ich öff­nete die Holz­klappe des Brun­nens. Der Ei­mer quietschte. Die Tiefe der Öff­nung reichte bis zum Grund­was­ser. Denk Dir ei­nen Wunsch aus und schick ihn in den Brun­nen, sprach es in mir. Wollte mir die­ser Stein ge­nau das mit­tei­len? Ist das ein Wunsch­brun­nen, der hier im Gar­ten steht oder kann man hier von der Quelle der ewi­gen Ju­gend trin­ken? Ich schaute wei­ter in die Tiefe und dachte über meine Wün­sche nach.

Ich emp­fand Dank­bar­keit, denn meine Wün­sche er­fül­len sich: die Sonne strahlt in mei­nen Gar­ten, die Liebe schaut mich glück­lich an und ich bin von Ruhe um­ge­ben. Al­lein der Glaube daran lässt meine Wün­sche Wirk­lich­keit wer­den. So­gar die Jahr­tau­sende al­ten Brun­nen­bräu­che las­sen uns an die Er­fül­lung der Wün­sche glau­ben. Ich schaute nach oben und ent­deckte die bei­den Lin­den. Bei den Sla­wen gal­ten Lin­den als hei­lige Bäume und die Tanz­linde war frü­her der Mit­tel­punkt dörf­li­cher Tanz­feste und Bräu­che. Viel­leicht tra­fen sich hier un­ter mei­nen Lin­den auch mal Men­schen, denn schließ­lich war diese Ge­gend vor ca. 700 Jah­ren von Sla­wen be­wohnt. Ge­nial, ein Wunsch­brun­nen und Tanz­lin­den hier di­rekt in un­se­rem Gar­ten! Und dann fiel mir ein Wunsch ein: Tan­zen in der Sonne!

Mein Tag beginnt

Ich muss zur Ar­beit. Komm mit, steig ein, lass Dich mit­neh­men. Stell Dir vor, wie Du am frü­hen Mor­gen aus dem Haus gehst. Schon vor der Tür ver­ab­schie­det Dich der beste Hund. Draus­sen at­mest Du die fri­sche Luft der Fel­der und Wäl­dern ein. Der Win­ter neigt sich dem Ende und die ers­ten Früh­lings­bo­ten zei­gen ihre bun­ten Köpfe. Es ist noch dun­kel. Al­les ist still, die Welt schläft noch. Aus der Ferne er­tö­nen die ers­ten Weck­rufe der Kra­ni­che. Du ge­nießt die­sen Mo­ment, steigst in Dein Auto und fährst los. We­nig spä­ter taucht über den Fel­dern aus dem Ne­bel die auf­ge­hende Sonne auf. Sie ist rie­sen­groß und leuch­tet in ih­rem schöns­ten Rosa. Der Him­mel lässt sich von ihr ver­zau­bern. Du schaust in die Weite und freust Dich über die­sen wun­der­vol­len An­blick. Du fährst wei­ter. Im Ra­dio läuft ent­spannte Mu­sik. Lang­sam wird es hell. Plötz­lich ent­deckst Du ganz in der Nähe zwei Kra­ni­che. Die Vö­gel des Glücks schrei­ten ge­müt­lich über das Feld, hin­ter ih­nen die auf­ge­hende Sonne, die dun­kel­orange leuch­tet. Es ist ein schö­ner Au­gen­blick.

Et­was wei­ter be­grü­ßen Dich die ers­ten Häu­ser der na­he­lie­gen­den Dör­fer. In ei­ni­gen Fens­tern brennt schon das Licht. Die Men­schen wer­den wach. Auf der Straße be­geg­nest Du kaum ei­nem Auto bis das Orts­ein­gangs­schild er­scheint und der Stadt­ver­kehr be­ginnt. Am Rande der Stadt war­tet ein traum­haf­ter Blick auf den gro­ßen See auf Dich. Du er­haschst die wun­der­volle Land­schaft, wie sich die Bäume des Na­tio­nal­parks im Was­ser spie­geln und die röt­li­che Sonne die Nacht ver­ab­schie­det. Du freust Dich. Nun folgst Du dem Ver­kehr. Für eine Weile be­glei­tet Dich der See und im­mer wie­der fängst Du die­sen schö­nen Blick ein. Am Orts­aus­gangs­schild bleibst Du an der ro­ten Am­pel ste­hen. Du hast zwar noch ei­nige Zeit zu fah­ren, doch es bleibt span­nend. Was be­geg­net Dir heute? Viel­leicht ei­nige Rehe auf den Fel­dern? Viel­leicht ein gro­ßer Greif­vo­gel? Viel­leicht so­gar ein See­ad­ler? Oder doch die vor­bei­flie­gen­den Zug­vö­gel? Die Mu­sik aus dem Ra­dio be­glei­tet Dich. Du bist zu­frie­den. Du schaust schnell um Dich und ent­deckst in der Ferne tat­säch­lich ei­nige Rehe. Wie schön das aus­sieht, wenn sie so in Ruhe äsen. Von Wei­tem be­grüßt Dich der hohe Turm des Klos­ters und Deine Fahrt neigt sich dem Ende.

Du biegst in die kleine Stadt ein, die vom Was­ser um­ge­ben ist. Auf den Seen siehst Du nur ei­nige En­ten und Ko­mo­rane. In der war­men Jah­res­zeit pas­sie­ren hier Hun­derte von Boo­ten die Was­ser­wege. Über ei­nen bu­cke­li­gen al­ten Damm fährst Du auf die In­sel. Du kannst Dir Zeit neh­men und ge­mäch­lich durch die en­gen Stra­ßen fah­ren. Hin­ter Dir strahlt die Sonne mitt­ler­weile in ih­rem hells­ten Gelb. Nun ver­lässt Du die In­sel über eine Brü­cke und parkst gleich ge­müt­lich ein. Du steigst aus und at­mest tief durch. Die fri­sche Luft durch­strömt Dei­nen Kör­per. Der Tag be­ginnt!