Lachende Gesichter
»Was der Sonnenschein für die Blumen ist,
dass sind lachende Gesichter für die Menschen.«
Joseph Addison
»Was der Sonnenschein für die Blumen ist,
dass sind lachende Gesichter für die Menschen.«
Joseph Addison
In den vergangenen wenigen Tagen passierte so viel um uns herum, dass ich es kaum in Worte fassen kann. Die kleinen Wunder der Natur, die ich tagtäglich beobachten darf, begeistern mich sehr. Bei uns im Garten und hier auf dem Land kann man das Leben sehen und anfassen. Die Pfanzen gedeihen unaufhörlich, immer mehr Tiere zeigen sich auf meinem Weg. Die Rapsfelder strahlen leuchtendgelb. Die Luft ist erfüllt von ihrem süßlichen Duft. Die Bäume haben nun ihr grünes Kleid angenommen, an jeder Ecke blühen die bunten Frühlingsblumen und die Vögelchen zwitschern. Ich staune, wie schnell alles um mich herum wächst. So intensiv und bewusst wie in diesem Jahr habe ich die Natur bisher noch nicht erlebt. Es ist schließlich mein erster Frühling auf dem Land, fern von der Stadt. Endlich ist in mir die Ruhe eingekehrt, endlich weiß ich, dass mich die vielen Reize der Großstadt überfordert haben. Nur damals wusste ich es noch nicht. Ich dachte es muss so sein. Schließlich war ich in meinem Kopf beeinflusst, dass nur ein Leben in der Stadt Erfüllung bringt. Etwas Landluft schnupperte ich nur bei Besuchen und Durchfahrten. Ich bin in einer Metropole groß und in einer 3-Millionen-Menschen-Stadt erwachsen geworden. Als Vorstadtkind hatte ich beides direkt vor meinen Füßen: eine geschichtsträchtige, über 1000 Jahre alte Großstadt und die Natur. Denn wir lebten am Rand eines riesigen Waldes und nur zwei Kilometer von der Ostsee entfernt. Doch dann siedelten wir um, ca. 1200 km westwärts und weit über die Mauer hinaus. Plötzlich hatte ich nur noch den Gestank einer Industriestadt in der Nase, kein Wasser, kein Wald, keine frische Luft. Nur die Sehnsucht nach den großen Bäumen, der Ostsee und den alten Straßen blieb. Der Gedanke aufs Land zu ziehen, kam mir nie in den Sinn. Ganz im Gegenteil, die Metropolen reizten mich. Ich wollte was erleben, meine Sehnsucht und meine Unruhe stillen. Einen kleinen Ausgleich fand ich in abgelegenen Wäldchen oder in Parks. Aber mir fehlte trotzdem was. Der Dschungel der Großstadt, die scheinbar unendlichen Möglichkeiten und die Suche nach Abenteuern füllten die Leere in mir nicht aus.
Doch nun bin ich hier auf dem Land. Voller Liebe und Dankbarkeit. Fern von Krach, Gestank und Plastik. So nah an den Wäldern, in Stille, fast an der Ostsee, die Großstadt nicht weit weg. Und die Erkenntnis: Was braucht man mehr um glücklich zu sein?
»Die Hoffnung, die das Risiko scheut, ist keine Hoffnung.
Hoffen heißt, an das Abenteuer der Liebe glauben,
Vertrauen zu den Menschen haben,
den Sprung ins Ungewisse tun
und sich ganz Gott überlassen.«
Dom Helder Pessoa Camara
Schau, dort im Garten unter den Linden steht ein alter Brunnen. Im Herbst, als schon alle Blätter von den Bäumen abfielen, bedeckten sie den Brunnen fast vollständig. Ich fegte das Laub zusammen und so wurde dieser wieder frei davon. Plötzlich hörte ich ein Geräusch. Es knirschte. Ein alter Stein rollte runter. Ich hob ihn auf. Doch irgendwie wollte dieser nicht wieder an seinen alten Platz zurück. Die kleinen Kristalle auf seiner Oberfläche glänzten in der Herbstsonne. Vielleicht wollte mir dieser etwas mitteilen, dachte ich mir. Ich öffnete die Holzklappe des Brunnens. Der Eimer quietschte. Die Tiefe der Öffnung reichte bis zum Grundwasser. Denk Dir einen Wunsch aus und schick ihn in den Brunnen, sprach es in mir. Wollte mir dieser Stein genau das mitteilen? Ist das ein Wunschbrunnen, der hier im Garten steht oder kann man hier von der Quelle der ewigen Jugend trinken? Ich schaute weiter in die Tiefe und dachte über meine Wünsche nach.
Ich empfand Dankbarkeit, denn meine Wünsche erfüllen sich: die Sonne strahlt in meinen Garten, die Liebe schaut mich glücklich an und ich bin von Ruhe umgeben. Allein der Glaube daran lässt meine Wünsche Wirklichkeit werden. Sogar die Jahrtausende alten Brunnenbräuche lassen uns an die Erfüllung der Wünsche glauben. Ich schaute nach oben und entdeckte die beiden Linden. Bei den Slawen galten Linden als heilige Bäume und die Tanzlinde war früher der Mittelpunkt dörflicher Tanzfeste und Bräuche. Vielleicht trafen sich hier unter meinen Linden auch mal Menschen, denn schließlich war diese Gegend vor ca. 700 Jahren von Slawen bewohnt. Genial, ein Wunschbrunnen und Tanzlinden hier direkt in unserem Garten! Und dann fiel mir ein Wunsch ein: Tanzen in der Sonne!
»Die Welt, die ein jeder in sich trägt, ist das Wichtigste, und es liegt zum Teil in unserer eigenen Macht, sie groß und rein und schön zu gestalten, weder Ort noch Zeit, noch äußere Umstände können ihr was anhaben.« Friede Henriette Kraze